Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Suoer-Heroes im Untergeschoss

TERRA TECHNICA Das verspielte Museum für Jukebox und Flipper

Günter Freinberger an einer Jukebox

Zeitreise mit Lucy durch eine gesammelte Welt der Unterhaltung

Vom Tisch des Cafés weg lässt sich bequem eine Musicbox bedienen. Günter Freinberger wählt die Titelmelodie von Winnetou. Wie von Zauberhand bewegt legt sich die gewählte Vinyl auf den Plattenteller, der Tonarm senkt sich und während die prächtigen Klänge der Prärie den Raum erfüllen, entschuldigt er die Abwesenheit von Ronny Seunig, dem Gründer des Museums: „Er ist derzeit in Australien und haust dort auf seiner Ranch wie der Apachen-Häuptling.“ Von den Geschäften in der von ihm geschaffenen Excalibur City hat sich Seunig zurückgezogen und diese seinem Sohn Roger übergeben. Er selbst kann sich nun mit ganzer Energie auf seine gewaltige Sammlung konzentrieren, der ein eigenes Museum errichtet und damit das Angebot in dieser Wunderwelt im Niemandsland zwischen Österreich und Tschechien mit den bekannt günstigen Läden für Tabakwaren, Spirituosen, Parfüms sowie den Spielcasinos und Restaurants um die Terra Technica erweitert wurde. „Nach 20 Jahren und 20 Millionen“ (O-Ton Seunig) waren die 8.500 m² Ausstellungsfläche 2017 fertig.

Marilyn Monroe begrüßt die Besucher von Terra Technica

Das Großprojekt war notwendig geworden, nachdem Jukeboxen, prächtige Exemplare aus der Zeit der mechanischen Musik, aber auch KFZ-Raritäten wie das letzte Auto von Stan Laurel oder das originale Batmobil aus dem 1989er-Film eine solche Zahl angenommen hatten, dass, wie Freinberger lachend erzählt, Ronnys Ferrari im Freien parken musste, weil die Garage mit Sammelobjekten gefüllt war.  Günter Freinberger hat in seinem PindigiLand in Ruprechtshofen ähnliche Erfahrungen mit der Raumnot gemacht und einen guten Teil seiner derzeit 572 Stück Pinball-, auf gut Deutsch Flipperautomaten in der Terra Technica ein- und ausgestellt.

Multiphonne aus 1907 Detail

Als Symbol auf dem Logo wurde Lucy gewählt, ein hübsches Mädchen mit Frisur und schneidigem Käppi aus den 1950er-Jahren, das mit unwiderstehlichem Zahnpastalächeln zu einer verspielten Zeitreise durch ein gutes Jahrhundert Entertainment einlädt. Das Café, die sogenannte Vinyl Bar, und die Nostalgiespielhalle sind bei freiem Eintritt zu besuchen, „um die Schwellenangst abzubauen“, meint Freinberger und zeigt einen kurzen Film, in dem Seunig über seinen Aufstieg erzählt.

Bei einem Hercules-Flipper wird neuerlich Halt gemacht. Das Gerät ist übergroß, eingeschossen wird eine Billardkugel, die Freinberger mit den beiden stattlichen Flipperfingern gekonnt gegen Bumper und Targets retourniert, um den Punktezähler rattern zu lassen. Die Begeisterung für das Flippern hatte ihn bereits als Ministrant im Hinterzimmer des Kirchenwirts erfasst. Irgendwann wurde daraus eine Sammelleidenschaft, verbunden mit der Freude am Zerlegen und Zusammensetzen der Geräte, die nunmehr allesamt bestens funktionieren. Es ist eines der vielen Elemente, die ihn mit Ronny Seunig verbinden, der mit mittlerweile als der Spezialist für Musikautomaten aller Art bezeichnet werden kann.

Jukebox Antique Apparatus

In der eigentlichen Terra Technica ist eine Zeitleiste eingebaut, die man mit wachsendem Staunen entlang wandert. Ein Orchestrion, kombiniert mit einem Klavier, beginnt „in voller Besetzung“ zu spielen. Vom Multiphone aus 1917, das mit seinen über 24 Edisonwalzen mit Federmechanismus neben dem Gable-Entertainer mit automatischem Nadelwechsel einen der frühesten Musikautomaten darstellt, gibt es nur mehr so wenige Stück, dass es nur für ein Video einmal in Betrieb gesetzt wurde. Um 1930 begann die Geschichte der Flipper. Die Ballyholes, mit Pins (Nägeln) und Löchern (Holes) bestückte Playfields, sind einfach gebaut und noch rein mechanisch. Musikboxen auf einem Karussell sind bereits elektrifiziert.

Sie waren damals genauso revolutionär wie der Ford Modell A, der seinerzeit 570 $ gekostet hat und jetzt im Museum einen Eindruck vom technischen Fortschritt dieser Jahre gibt. Wahre Geschichte(n)erzähler sind auch die Backglasses der Flipper. Sie sind jeweils einem bestimmten Thema gewidmet. Verewigt sind darauf Ereignisse wie der Beginn der Weltraumfahrt, bedeutende Filme und Musikgruppen wie die Beatles oder Rolling Stones oder Kino-Heroes wie Supermann. Die Verspieltheit machte vor der Erotik nicht Halt, was drei Flipper beweisen, die zu Jubiläen des Magazins Playboy eigens für Hugh Hefner und seine Bunnys gebaut wurden.

Mit etwas Geschick kann man die junge Dame vor sich entkleiden, aber nicht ganz, wie Freinberger versichert, während er zum Pinball-Automaten namens Sexy-Girl mit eingebauten Diaprojektor geht. Bei entsprechendem Punktegewinn legen die Girls freizügig einen Striptease hin. Hinter einem roten Vorhang ist ein Flipper namens „Big Dick" versteckt, der von Freinbergers Lieblingsdesigner Dave Christensen für Seine Nachtklubfreunde hergestellt wurde – und weltweit gibt es davon nur 3 Stück.

Günter Freinberger bei seiner Leidenschaft, dem Flippern

Jukeboxen gibt es hier aus der ganzen Welt. In Amerika bauten solche u. a. David Rock-Ola und J. P. Seeburg neben Wurlitzer, der später auch in Deutschland produzieren ließ und dessen Name damit in unserem Sprachgebrauch als Bezeichnung für die Jukebox schlechthin geworden ist. Das Musikprogramm ist also reichhaltig und kann für diverse Feiern gebucht werden. Neben der Verwirklichung des alten Traums der Menschheit, Musik machen zu können, ohne ein Instrument zu beherrschen, kommt in der Terra Technica auch der Homo ludens auf seine Rechnung.

Schilder über den meisten Pinball- und Musikautomaten laden mit einem deutlichen „Play Me!“ ein, einen Token einzuwerfen (es gibt 12 Stück um 10,- € an der Kassa), um eine Runde zu flippern oder sich eine Musiknummer am besten an einer Bubbler-Jukebox auszuwählen. Fotografieren ist übrigens erlaubt; man will schließlich neben Zigaretten, Eau de Cologne oder Whisky ein optisches Andenken an diesen besonderen Museumsbesuch in der Excalibur City mit nachhause nehmen.

Batmobil aus dem 1989er-Film
Terra Technica Logo 250

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