Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Helsinki bei Nacht

Helsinki bei Nacht von der Löyly Sauna aus gesehen

GENUSSZIEL HELSINKI Neue Trends unter der Mitternachtssonne

Der Dom von Helsinki

Der Dom von Helsinki

Finnland ist auf dem besten Weg, auch am Nahrungsmittelsektor Musterschüler zu werden

Wer den alten Markt am südlichen Hafen betritt, ist fasziniert; nicht nur vom Angebot an Köstlichkeiten, das Stände in etlichen Reihen anbieten, sondern mehr wohl noch vom pittoresken Ambiente, das sich über 100 Jahre unverändert erhalten hat. Hinter liebevoll verzierten Holzfassaden liegen unwiderstehlich präsentiert die Waren, angefangen vom Rentierfleisch, über regionale Früchte, allen voran frisch oder als Marmelade die wilde Heidelbeere und massenhaft Schwammerln aus den endlosen Wäldern, dazu heimische Getränke bis zu Fischen, sowohl vom baltischen Meer als auch aus den 180.000 Seen, die das Land mit ihren dunkelblauen Wasserflächen melancholisch überziehen. Die begehrteste Spezialität ist Lohikeitto. Stücke vom Lachs, Erdäpfel, Dill und Obers sind die Zutaten zur Lachssuppe, die mittags die Menschen in die kleine Markhalle zieht.

Gebratenes Rentiersteak im Restaurant Lasipalatsi

Gebratenes Rentiersteak im Restaurant Lasipalatsi

Impression im alten Markt am südlichen Hafen

Impression im alten Markt am südlichen Hafen

So einfach wie es in dieser Üppigkeit aussehen mag, machen sich die Finnen ihr Essen jedoch nicht. Im Ministerium für Land- und Forstwirtschaft wird eifrig darüber gegrübelt, wie man für die Zukunft entsprechend vorsorgen kann. Betrachtet man die kurze Geschichte der Selbständigkeit, der sich diese Nation im Nordosten Europas erfreut, dann wird klar, warum man mit aller Kraft daran arbeitet, die Produktion von Hauptnahrungsmitteln im eigenen Land sicherzustellen. Mit zufriedenem Lächeln weist man darauf hin, dass es kaum Seuchen gibt. Die Bauernhöfe liegen einfach zu weit voneinander entfernt, um die Erreger weiterzutransportieren. Pestizide sind nicht erforderlich, da die Schädlinge in den tiefen Temperaturen des Winters ohnehin erfrieren, und warum der Hafer gerade im Norden besser als anderswo gedeiht, hat seinen Grund darin, dass er in der zwar kurzen, durch die Mitternachtssonne aber intensiv mit Licht bestrahlten Vegetationsperiode die besten Voraussetzungen für sein Wachstum findet.

Ein Segelschiff vor Anker im südlichen Hafen

Ein Segelschiff vor Anker im südlichen Hafen

Innovationen haben Tradition. 1945 erhielt Artturi Ilmari Virtanen den Nobelpreis für seine Erkenntnisse zur Konservierung von Tiernahrung. Heute sind es Startups, die in die Zukunft blicken. So forscht VTT Technical Research Centre of Finland Ltd. unter anderem an der Herstellung von Nahrungsmitteln aus pflanzlichen Rohstoffen, mit denen es möglich ist, vollwertigen Fleischersatz zu erzeugen. Unter der Marke Onego bio will man Hühnerfarmen einsparen, indem mit Mikroorganismen und Bioreaktoren das beim Backen unentbehrliche Bindemittel, eben das Eiweiß, erzeugt wird. Gearbeitet wird mit höchsten Standards, aber nicht nur im Labor. Wer in Märkten, Lokalen oder in anderen Lebensmittelläden beschäftigt ist, hat extra eine Schulung zu absolvieren und den Hygiene Pass zu erwerben.

Kunst im öffentlichen Raum am alten Hafen

Kunst im öffentlichen Raum am alten Hafen

Denkmal für Mannerheim, dahinter Parlamentsgebäude

Denkmal für Carl G. E. Mannerheim vor dem Parlamentsgebäude

Wenn es ums Futter geht, kennt der Finne also keinen Spaß. Seit 1948 erhält jeder Schüler ein kostenloses Mittagsmahl, das selbstverständlich auf jüngsten Erkenntnissen der Ernährungswissenschaft beruht. Das Gleiche gilt für die Freiluftmärkte, die im Sommer die Plätze der Stadt beleben. Der Trend geht, propagiert vom Rathaus in Helsinki, deutlich Richtung vegetarisch. Mit diesen fröhlichen Veranstaltungen kommen auch die Gäste des Landes wieder ins Spiel, die dort mit freundlichen Bewohnern auf Englisch bald ins Gespräch kommen. Dabei hören sie vielleicht auch von der Bewegung „Food from Finland“, die sich für die Vermarktung der hier gewonnen Produkte einsetzt. Angestrebt wird unter anderem eine Steigerung des Exports, die Definition von Zielmärkten, Netzwerke zwischen den Firmen und anderen Unternehmern zu knüpfen und nicht zuletzt 5.000 Jobs auf dem Sektor der Nahrungsmittelindustrie zu schaffen. Flagships sind die Marke Fazer, unter der neben der Herstellung von Süßigkeiten für gesundes Frühstück aus dem legendären Hafer gesorgt wird, oder MEEAT mit einem weiten Angebot an pflanzlichen Nahrungsmitteln, die, so das Start up, derart raffiniert gestylt sind, dass sie über Vegetarier und Veganer hinaus auch bei unverbesserlichen Fleischfressern ein Umdenken anstoßen könnten.

l.: Scandic Grand Hotel, r.: Finnisches Nationaltheater

l.: Scandic Grand Hotel, r.: Finnisches Nationaltheater

Zu diesem engagierten Programm gehört aber auch Whiskey, gebrannt aus heimischem Getreide. Mikko Mykkänen ist Meister des Destillierens und lässt seine Besucher gerne einen Blick in seine Tislaamo (Brennerei), The Helsinki Distilling Company, werfen. Vom Keller, wo sich Hunderte Eichenfässer stapeln, um dem Whiskey die goldene Farbe zu verleihen, geht es zu den Kupferkesseln und von dort an die Bar zur Verkostung. Im Angebot stehen ein bestechend runder Rye Malt, fruchtiger Gin, Akva Vit und der Applejack, extrahiert aus dem vergorenen Most geräucherter Äpfel. Derlei Spirituosen machen Appetit auf ein ausführliches Dinner, für das Restaurants wie Lasipalatsi oder Nolla wärmstens zu empfehlen sind.

Im Fasskeller der Tislaamo von Mikko Mykkänen

Im Fasskeller der Tislaamo von Mikko Mykkänen

Mikko Mykkänen vor seinen Destillierkesseln

Mikko Mykkänen vor seinen Destillierkesseln

Nach Erfolgsgeschichten wie Nokia und Pisa-Test ist Finnland damit neuerlich auf dem besten Weg, einmal mehr europäischer Musterschüler zu werden. Sicherheit, Innovationen und Nachhaltigkeit auf dem Nahrungsmittelsektor sind dort mehr als Schlagwörter. In diesem kleinen Land im Norden wird intensiv nach neuen Antworten auf die brennenden Fragen unserer Zeit gesucht und einige davon scheinen bereits gefunden zu sein.

Aufregende Architektur an der Zentralbibliothek in Helsinki

Aufregende Architektur an der Zentralbibliothek in Helsinki

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