Annalisa, die temperamentvolle Chefin des Weingutes Zorzettig, hat sich für dieses Wort aus ihrer Muttersprache als ihre Marke entschieden. Myò bedeutet zu Deutsch „mein“ und soll einen direkten Bezug zur Region Friaul, seinen Traditionen, seinen Bräuchen, seinen Tieren und eben seinem Wein herstellen.
Die Winzerin hat keineswegs ein Problem damit, wenn die Rede auf die Supermarktweine von Zorzettig kommt: „Wir geben ihnen einen kleinen Teil. In unserer Region gibt es eine Menge Weingüter, und man sticht damit heraus, mit einem guten Preis, ecco! Die Leute haben nicht so viel Zeit und kaufen deswegen im Supermarkt Käse, Butter und Wein.“ Dass auch beim billigen Wein die Qualität stimmt, beweisen die örtlichen Kunden, die im Weingut mit einer Damigiana (Korbflasche) erscheinen, diese wie in alten Zeiten vom Fass befüllen und sich damit für einige Tage mit preisgünstigem Wein eindecken.
In der Weinwirtschaft erkennt Annalisa an sich zwei grundverschiedene Welten. Auf der einen Seite, sagt sie, stehen die Geschäftsleute, die keinen Weingarten, sondern nur ein Büro haben. Sie sind gefährlich für die anderen, die ehrlich arbeiten. Es schüttelt sie beim Gedanken an das Big Business mit Prosecco, Parmegiano und Olivenöl: „Schrecklich für uns! Wir bearbeiten das Land, achten auf das DOC und bezahlen eine Menge für Analysen und Kontrollen.“ Dass in Italien wie anderswo auch im Wein großes Schindluder getrieben wird, räumt sie mit Unwillen in der Stimme ein, bevor sie das Glas mit ihrem Friulano 2010 vor das Gesicht hebt, intensiv daran riecht, einen Schluck probiert und für gut befindet: „Hier ist eine Garantie für wahren Wein, wahren friulanischen Wein!“ Man sitzt dabei in einer innen und außen mit viel Geschmack und Gefühl für das Originale gestalteten Villa hoch oben in einem Ortsteil von Spessa bei Cividale. Der größere Teil des Anwesens ist dem Weingut gewidmet; mit historischem Keller und top-modernen Verarbeitungsanlagen. Der Rest davon ist Wohnung ganz im Stil der alten Bauernhäuser in den Colli Orientali del Friuli. Deren Herzstück ist bis heute der Fogolar, eine offene Feuerstelle, um die herum sich die Familie versammelt und wo auch über Vergangenheit und Geschichte erzählt wird. Um 1900 waren von einem Vorfahren die Weingärten des Hospitals von Cividale angekauft und mit den eigenen Gründen zum Weingut Fratelli Zorzettig vereinigt worden. 1986, damals gab es 21 Familienmitglieder, trennten sich die drei Brüder Zorzettig und betrieben jeder für sich ein eigenes Weingut. Neben Zorzettig und Ronchi San Giuseppe ist La Tunella eines von den dreien und wird eigens vorgestellt.
Nach so vielen Genüssen, vereint auf einem Platz, bleibt nur mehr ein Wunsch offen. Man möchte so gerne noch bleiben – und findet dazu bei Zorzettig durchaus gute Gelegenheit. Quasi auf Sichtweite liegt in der Ebene des Friuli Grave nahe dem Ort Premariacco mitten in weitläufigen Weingärten Annalisas „L´agriturismo“. Ein bestens restauriertes Bauernhaus mit den Ausmaßen eines Schlosses ist von einem gepflegten Park umgeben. Ein uraltes Gebäude an dessen östlichem Ende wurde behutsam zu einem gemütlichen Gästehaus umgestaltet; mit allem Komfort, den man sich als Genussreisender unserer Tage erwarten darf. | Annalisa nennt es Respekt vor der Natur, vor dem Land, in dem sie ihre Weingärten zieht (ein Beobachter von außen würde es eher als Leidenschaft für ihre Umgebung ausdrücken), der sie auf diesen Gedanken gebracht hat. Neben dem Wort MYÒ zieren typische Tiere aus der Region die Etiketten der Flaschen ihrer besten Weine.
Gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder Alessandro führt sie das Familienweingut in den Colli Orientali del Friuli. Autochthone Rebsorten stehen im Vordergrund: Ribolla Gialla, Friulano, der hier noch besser unter seinem alten, aber mittlerweile verbotenen Namen Tocai bekannt ist, Verduzzo, Schioppettino, Refosco. Dazu kommen internationale Sorten wie Chardonnay, Pinot Bianco, Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot oder Pinot Nero. Vor allem bei den Roten wird von Annalisa in Zusammenarbeit mit dem Önologen Fabio Coser großer Wert darauf gelegt, dass sie nicht zu mächtig und zu tanninlastig werden. Sie liebt freundliche, im Holz eher sparsamen Rotweine. Fotos zum Vergrößern anklicken
g.o.qu.: Villa von Annalisa Zorzettig in Premariacco
l.g.o.: Etikett der neuen Linie MYÒ
l.o.: Annalisa Zorzettig
r.o.: Garten im Weingut
u.l.: Betonfass
u.r.: Abendstimmung am Weingut
r.u.: Damigiana (Korbflasche im Friaul)
l.u.: Weingärten von Zorzettig
g.u.l.: Historischer Weinkeller
r.g.u.: Küche mit Fogolar
r.g.u.: L´agriturismo, Gästhaus von Zortettig
g.u.qu.: Rauchfang der Villa Zorzettig Was wäre jedoch der Besuch eines Weingutes in den Colli Orientali ohne ein paar einzigartig köstliche Kleinigkeiten auf dem Teller – allora! Das hellgelbe saftige Gebäck stammt aus der örtlichen Bäckerei und der Käse ist würziger Montasio. Der Rest ist „hausgemacht“. Das duftende Olivenöl kommt von den Bäumen zwischen den Weingärten rund ums Haus. Die Menge deckt den eigenen Bedarf oder wird als exquisites Geschenk an Freunde weitergegeben. Papa Giuseppe füttert wie in alten Zeiten einige Schweine, die er gemeinsam mit Freunden zu Salami, Pancetta und Prosciutto, quasi die hausgemachte Ausgabe des berühmten San Daniele, verarbeitet. Als Begleiter des süßen Picolit werden von Mamma Antonietta die Gubana, ein Kuchen mit herrlicher Nussfülle, getränkt mit selbstgebranntem(!) Grappa, und Struky, die kleine mundgerechte Ausgabe der Gubana, gebacken. In der Laube davor, mit Blick auf die Colli Orientali im Osten, auf die hoch aufragenden Alpen im Norden und vor der Nase auf die feudale „Azienda agricola“, ist genau der Platz, auf dem der Wein des Friaul verkostet werden soll, wo Friulano, Ribolla Gialla oder auch Pinot Grigio und Sauvignon mit überraschend lebendiger Frische glänzen und ein gut gelüfteter Schioppettino oder Tazzelenghe einen Tag in den Colli Orientali Friuli mit einem großen Rotweinerlebnis vollenden.
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