Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Schloss Festetics

Ein lohnendes Ausflugsziel: Keszthely und Schloss Festetics

Die elegante Helka, angeblich das älteste Ausflugsschiff auf dem Balaton, ist wieder im Einsatz

Feudale Pracht und Nostalgie am Balaton

Die Helka ist angeblich das älteste Ausflugsschiff am Balaton. Es war bereits ausgemustert gewesen und hatte auf dem Trockendock ein trauriges Dasein als Restaurant gefristet. Beherzte Betreiber haben es jedoch wieder flott gemacht. Sein eleganter Bug pflügt seither von Keszthely aus wieder durch das seichte Wasser des größten Binnensees von Mitteleuropa. Am Ufer ziehen beschaulich Weinberge vorbei, während man an Bord den Wein dieser wundervollen Region genießt. Im Norden erheben sich die beeindruckenden schwarzen Basaltfelsen von Badacsony, im Süden breiten sich die endlosen Weiten der Puszta aus – kurz gesagt: Ungarn, wie man es sich in kitschigsten Bildern vorzustellen vermag. Die unvermeidlichen Reste an Bausünden aus der kommunistischen Zeit sind aus dieser wohltuenden Distanz nicht mehr zu erkennen. Die Freundlichkeit, die seither in der Bevölkerung eingekehrt ist, macht es später auch an Land einfacher, darüber hinwegzusehen, über die abenteuerlichen Strommasten aus Beton, die in unbarmherzigen Rost gealterten Hydrogloben und unverkäuflichen Ruinen ehemaliger Hotels.

Statue Der Frühling in der Bibliothek des Schlosses Festetics

Zurück in Keszthely findet man ungeahnte Möglichkeiten vor, um in die nahe und ferne Geschichte dieser Stadt einzutauchen. Keszthely wird gerne als Stadt der Museen bezeichnet. Tatsächlich findet man an jeder Ecke eine kleine Sammlung, die liebevoll zusammengetragen wurde und mit Begeisterung dem Besucher gezeigt wird. In einem ehemaligen Getreidespeicher, dem Puppenmuseum, trifft man lebensgroße Modelle in ungarischer Tracht. 

Nostalgische Badehütten im typischen Stil der Festetics

Der Besucher staunt über die Vielfalt, mit der man seine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Teil der Bevölkerung gezeigt hat. Aus Schneckenhäusern hat Ilonka Miskei stolz das Parlament in Budapest en miniature nachgebaut und vielleicht mit Blick auf die politische Arbeit „Schneckenparlament“ genannt. Ein paar Schritte weiter finden sich neben dem Marzipan- und Nostalgiemuseum eine Cadillac Sammlung, ein Radio- und TV-Museum, ein Museum der Erfindungen und viele mehr.

Ein Pflichtbesuch ist freilich Schloss Festetics. Das jetzige pompöse Äußere stammt aus den Jahren 1883-87. Sieben Generationen der Familie Festetics, so erfährt man bei der Führung, haben hier über 200 Jahre lang gelebt und gewirkt. 1745 war es noch ein Schloss mit gerade 34 Räumen, die später auf 101 Zimmer und Säle vermehrt wurden. Ein Teil der Einnahmen der Festetics war die Rinderzucht. Exportiert wurden die Tiere auf dem Landweg bis Nürnberg, das mit 70.000 Stück zu den Hauptabnehmern zählte. Die langen Hörner der stolzen Rinder haben sogar damals Emil Adam, den besten Pferdemaler Europas, zu einem Gemälde inspiriert, obgleich er bei Festetics mit dem Malen von edlen Rössern ohnehin ausreichend beschäftigt war.

Das Gestüt war weltberühmt und lieferte Pferde sogar für das klassische Kentucky Derby nach Amerika.

 

Eine Lichtgestalt der aus Kroatien stammenden Familie war Georg Graf Festetics (1755-1819), der 1797 in Keszthely die älteste Landwirtschaftliche Hochschule Europas gründete. Sein Nachfahre Tassilo war Bauherr des jetzigen Schlosses, der, wie der Führer betont, von Mary Victoria Douglas Hamilton geheiratet und wohl von der resoluten Dame zum Ausbau ihres neuen Heimes animiert worden war. Von allen Familienmitgliedern wurde stets gesammelt, was gut und teuer war: äußerst seltene Vasen, Gemälde und vor allem Bücher. Die Bibliothek des Schlosses, die dank der Umsicht eines russischen Kommandanten auch das Jahr 1945 unbeschadet überlebte, enthält Bücher in 27 Sprachen, Erstausgaben von Goethe, Schiller und Heine, 6000 Notenpartituren großer europäischer Komponisten und als ältestes Werk eine Chronica Hungarorum aus 1488.

Bibliothek des Schlosses Festetics

Die Pracht und Eleganz des Schlossinneren setzt sich durchaus auch im Park rund um das Schloss fort. In einem englischen Garten finden die heutigen Besucher ebenso Entspannung wie die seinerzeitigen Besitzer. Man gelangt dabei vielleicht auch ins Marstall-Museum, der einstigen Wagenremise und dem Stall. Es wäre kein feudaler Ansitz, gäbe es nicht auch eine Jagdausstellung, die allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg, abgesehen vom Geweih eines 1883 erlegten Hirschen, völlig neu zusammengestellt werden musste.

Vergnügen für kleine und große Männer bietet die historische Modelleisenbahn auf dem Dachboden dieses Gebäudes. Neben ungarischer Eisenbahngeschichte, die anhand von Miniaturzügen dargestellt wird, ist dort übrigens auch die Semmeringbahn zu sehen, inklusive Tunnels und Alpenpanorama. In Keszthely ist man stolz auf die Eisenbahn, die seit der Monarchie den Ort mit der Hauptstadt Budapest und in weiterer Folge mit Wien verbindet und stets verlässlich die Gäste an den Balaton gebracht hat.

Park im Zugang zu Schloss Festetics
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