Azienda Agricola Perusini und die Rückkehr der Weinkultur
Ein Turm für
Kunst & Wein
Teresa Perusini ist Kunsthistorikerin, Spezialgebiet Spätmittelalter und Renaissance, mit einer Professur an der Universität in Venedig. Ihr Mann Giacomo de Pace ist Techniker, Bauingenieur. Beide wären mit ihren erfolgreich ausgeübten Berufen zur Genüge ausgelastet. Trotzdem nehmen sie die Arbeit im Weingut auf sich und teilen ein Engagement, das weit über die übliche Tätigkeit eines Winzers hinausgeht: Erhaltung wertvoller historischer Substanz und Einsatz für zeitgenössische Kunst bis zur Wiederherstellung eines ursprünglichen Landschaftsbildes.
Das Weingut Perusini in Gramogliano bei Corno di Rosazzo in den Colli Orientali Friuli wurde schon seinerzeit als eines von ganz wenigen für würdig befunden, in die erlesene Schar der historischen Weingüter Italiens aufgenommen zu werden (Veronelli „I vignaioli storici Italiani“). So fand sich im Hause Perusini-Antonini in Udine auf einem Fresko die älteste Darstellung der Weinlese und Weinverarbeitung. Zudem residierte die Familie einst mitten in ihren Weingärten auf Schloss Rocca Bernarda in wohl bewusst gewählter Sichtweite zur mächtigen Abtei Rosazzo.
Heute wohnt sie in einem wunderschönen Anwesen in Gramogliano. Teresa Rubini erzählt mit dem Blick auf das nahe Schloss ohne spürbare Bitterkeit über die Familientragödie, einen Streit unter Brüdern, bei dem der weit größere Teil des Weingutes dem Malteserorden vermacht worden war. Ihrem Vater Giampaolo war lediglich ein Viertel davon verblieben. Er hat wieder von vorn begonnen, erzählt sie, mit 5000 Flaschen, aus denen in der Zwischenzeit 50.000 bis 70.000 geworden sind.
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o.qu.: Judriotal
g.o.l.u.g.u.l.: Torre di Zucco
r.g.o.u.r.: Tenuta Perusini
r.u.: Castello Rocca Bernarda
l.o.: Teresa Perusini
m.l.: Wandmalereien von Leon Tarasewisz
m.r.: Barrique-Keller mit Foucaultschem Pendel
l.:u.: Wahlspruch der Perusini
r.m.,u.&r.u.: Landschaft am Rocca Bernarda
u.: San Leonardo
Vielleicht war es das Vertrauen in Gott Janus, das beim Wiederaufstieg behilflich war. Ihm wurde bei der Gründung des jetzigen Wohnhauses 1605 dessen Schicksal mit den Worten FOVET GREMIO JANUS (Janus hat das Haus in seinen Arm genommen) anvertraut. Sie sind über dem Eingang zu lesen und haben, so vermutet Teresa Persuini, zum Namen des Ortes Gramogliano (Gremio Janus) geführt.
Ganz sicher war es aber die stets der Familie eigene Verbindung von Wissenschaft, Kunst und Liebe zum eigenen Land, die sich bis heute in literarischer Tätigkeit von Familienmitgliedern, vor allem aber in intensiven Forschungen und Initiativen im Weinbau niedergeschlagen hat. Giacomo Perusini, Teresas Großvater, hat dem Picolit, einer autochthonen Süßweinsorte, wieder zu dem ihm gebührenden Rang in der Sortenvielfalt der Colli Orientali Friuli DOC-Weine verholfen. Im 18. Jahrhundert war Picolit der berühmteste Wein aus dem Friaul und wurde an den großen Höfen Europas geschätzt. Später war er aus der Mode gekommen, weil er erstens kompliziert zu produzieren ist und immer weniger getrunken wurde. Ihr Großvater hat wieder damit begonnen und um seine Erkenntnisse auch entsprechend der Nachwelt überliefern zu können, ein Buch dazu verfasst.
Ihr Vater hat den ebenfalls autochthonen Ribolla Gialla als stillen Wein und damit als Ribolla Perusini selektioniert, merkt sie stolz an. Sie selbst hat einen uralten Merlot entdeckt, den einst ihr Großvater von Frankreich mitgebracht hatte. Analysen in den renommierten Forschungsanstalten Geisenheim und Klosterneuburg haben ergeben, dass dieser Klon als verschwunden gegolten hatte und nun als ihr eigener Merlot anzusehen ist.
Abgefüllt wird dieser Merlot in einer Magnum unter dem Namen Torre di Zucco, benannt nach dem Turm, der sich in seiner eigenwilligen Form unübersehbar neben der Kellerei erhebt. Er ist das Ergebnis eines Forschungsprojektes, das in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für wissenschaftliche Forschung, der Fakultät für Architektur der Universität Venedig und einer Gruppe privater Sponsoren durchgeführt wurde.
Erbaut wurde der Weinkellerturm nach Entwürfen des Architekten Augusto Romano Burelli. Im Inneren des Turms durchschwingt ein Foucaultsches Pendel täglich einmal die Erdumdrehung und durchwandert dabei ein Ziffernblatt, das der Turmuhr von Schaffhausen nachempfunden ist. Eingelassen ist es auf dem Boden der Schatzkammer, dem Barrique-Keller – im Zentrum den Wahlspruch der Familie Perusini „CONCORDIA RES PARVAE CRESCUNT“ (In Eintracht wächst die kleine Sache, Sallust) als mahnendes Vermächtnis an ihre drei Söhne.
Zum Landschaftsschutz zählt für Teresa Perusini auch die Erhaltung der alten Bauernhäuser, die vor Jahrzehnten verlassen wurden, weil sich ihre Besitzer anderen Orts ihr Einkommen leichter verdienen konnten. Von Persusini wurden nun einige davon restauriert und nutzbar gemacht; als Restaurant beispielsweise oder als „alloggi agristuristici“ wie die Casa Rossa, die in atemberaubender Lage ganz oben auf dem Hügel San Biagio zum Bleiben einlädt, in der überaus angenehmen Gesellschaft von Olivenbäumen, Glyzinien, Oleanderbüschen und Lavendel.
Eine doppelte Wand sorgt für natürliche, optimale Belüftung und könnte im Sommer wohl auch als Refugium vor mediterraner Hitze genossen werden. Man kann dazu ebenerdig den Turm betreten und vorbei an Wandmalereien des Künstlers Leon Tarasewisz nach oben zu einer Art Aussichtsplattform steigen. Von dort seht man weit hinaus über das Tal des Judrio, des einstigen Grenzflusses zwischen der Habsburger-Monarchie und Italien. An den Hängen dazwischen liegen die Weingärten von Perusini.
Man sieht aber auch, und das missfällt Teresa Perusini, dass sich der Wald breit gemacht hat und einen guten Teil einstiger Weinterrassen bedeckt. Mit Hartnäckigkeit und stichhaltigen historischen Belegen konnte sie die Behörden davon überzeugen, die Waldflächen wieder für den Weinanbau zurück zu widmen – nicht zuletzt um ihrer Landschaft den Charakter zu bewahren, als reizvolle Abfolge von Zypressen, Weinbergen, Olivenhainen, Kornfeldern, kleinen Kirchen und Burgen. Selbstverständlich liegen diesem Bemühen auch ganz praktische Überlegungen einer Winzerin zugrunde. Hohe Qualität oder „Grand Cru“, wie sie sagt, lässt sich nur in diesen Steillagen erreichen, wegen des Kleinklimas und vor allem wegen der Ponca, einem blauen, flachen Gestein, das durch den Frost in kleine Blättchen zerfällt und einen der besten Böden für den Weinbau schafft.
Als der Blick auf das San Leonardo Kircherl fällt, erzählt Teresa, dass an dieser Stelle einst ein Schloss einen Edlen namens Adalberto di Zucco beheimatet hat. Aufgrund einer Streiterei wurde die Burg Ende des 13. Jh. zerstört. In einer Urkunde hat Teresa entdeckt, dass im Zuge dessen auch die Weinberge zerstört wurden – für die Historikerin ein Beweis, dass Weinanbau im Mittelalter und wohl auch schon früher auf den Hügeln von Gramogliano eine bedeutende Rolle gespielt und im Torre di Zucco, in dem auch Teresa die Kunsthistorikerin und Winzerin in einer Person vereinigt sieht, seine Verbindung zum Heute gefunden hat.