CAVALLOTTO, das Weingut am Tor zu Castiglione Falletto
Barolo, der im Keller unter der großen Lage Bricco Boschis reift
Auf Piemontesisch ist Bricco die Bezeichnung für einen Hügel, in diesem Fall für einen Weinberg in bester Lage. Nebbiolo ist die Sorte, die hier angebaut wird, aus der nach einem genau vorgeschriebenem Verfahren im Weingut Cavallotto Barolo entsteht. Die Geschichte dieses Weinguts geht weit zurück, bis ins 18. Jahrhundert, als das Anwesen noch im Besitz der Gräfin Juliette Colbert stand. Sie vererbte das Weingut an ihren Verwalter Giuseppe Boschis. 1928 gelangte es ins Eigentum der Familie von Giacomo Cavallotto. Giuseppe, der Großvater der drei Geschwister Laura, Giuseppe und Alfio, den heutigen Winzern, war einer der ersten, der 1948 eine Marke kreierte, nachdem der Wein bereits 1946 in Flaschen abgefüllt worden war. Aber Barolo braucht entsprechende Lagerung auch in der Flasche, wodurch sich diese zwei Jahre erklären. Eine der Flaschen mit dem historischen Etikett wird im Präsentationsraum des Weingutes in Ehren gehalten. Damals, so erinnert sich Giuseppe, war es üblich, dass der Wein in der Damigiana, einer großen Glasflasche zu 30 oder 50 Liter, verkauft wurde.
Das große Gebinde ermöglichte einen niedrigeren Preis, da die Kosten für Flaschen und Kork wegfielen. Es stellte also eine mutige Entscheidung dar, sich allein gestützt auf die hohe Qualität des eigenen Weines in Flaschen auf den Markt zu wagen. Das Problem hat sich von alleine gelöst, denn Barolo von Cavallotto ist in der ganzen Welt, über Europa hinaus in den USA und Japan, längst ein Begriff und niemand kann sich diesen edlen Wein mehr anders als in einer formschönen Flasche mit dem Etikett CAVALLOTTO vorstellen.
Giuseppe bedauert, dass sein Bruder Alfio nicht zugegen ist, der viel mehr über das Weingut erzählen könnte, und lädt trotz aller Bescheidenheit die Besucher dennoch gern zu einer eingehenden, mehr als aufschlussreichen Führung durch Betriebsstätte und Weingärten ein. Der erste Weg führt zu vertikalen Edelstahltanks. Hier erfolgt die Gärung und die Mazeration der Rotweine. Diese „macchine rotanti“ haben einige Besonderheiten gegenüber herkömmlichen Methoden.
Giuseppe weiß, dass die Apparaturen in Deutschland für den Weißwein erfunden wurden. In ihrem Keller leisten sie aber für die Rotweine beste Dienste. Sie gestatten eine exakte Temperaturkontrolle, beim Barolo, der beispielsweise 30 Grad braucht, über 30 Tage. Durch langsame Drehung bleibt dem sensiblen Most das Pumpen erspart und die Traubenkerne bleiben unversehrt. „Damit können keine grünen Tannine entstehen, die den Rotwein bitter machen“, erklärt der Winzer. Sie dreht sich innerhalb von 20 Minuten drei bis vier Mal, um dann vier bis fünf Stunden wieder zu stehen. Die Schalen der gerebelten Trauben liegen in einem eigenen Behältnis unter dem Drehwerk. Dazu Giuseppe: „Diese Maschine erlaubt einen Wein in entsprechender Qualität, eine kräftige Farbe im Barolo, obwohl der Nebbiolo an sich arm an Farbe ist.“
Danach werden feste Rückstände und Flüssigkeit getrennt und die Schalen sanft gepresst. Der Saft kommt in einen Tino, ein konisch nach oben zusammenlaufender Bottich, und nach einer Woche in Zementtanks. Beton ist gechmacksneutral und hat gegenüber Stahltanks den Vorteil, ist man bei Cavallotto überzeugt, dass er erstens die Temperatur konstant hält und zweitens kann der junge Wein ohne die Gefahr einer Oxydation durch die feinen Poren der Zementwand atmen.
Anfang des Winters kommt der Wein in ausschließlich große slawonische Eichenfässer. Manche davon sind 30 bis 40 Jahre alt, erfüllen aber nach wie vor bestens ihre Funktion. Gelagert werden sie 24 Meter tief in der Erde unter dem Weingarten Bricco Boschis, benannt nach dem Verwalter der Gräfin. Die Temperatur lässt sich hier das ganze Jahr über leicht kontrollieren. Immerhin reift der Barolo mindesten drei Jahre, der Barolo Riserva DOCG Bricco Boschis Vigna San Giuseppe sogar fünf Jahre im Fass. Erst dann wird er in Flaschen abgefüllt und wird ebenfalls noch für eine vorgeschriebene Dauer lagern, bevor er auf den Markt kommt. Pro Jahr sind es 110.000 Flaschen, neben Barolo auch Dolcetta d´Alba, Barbera und Freisa, eine mit dem Nebbiolo verwandte autochthone Traube dieser Region.
Das Sonnenlicht blendet und wärmt, wenn man aus dem kühlen Dunkel der Cantina ins Freie tritt. Man steht vor einem Amphitheater, dessen Ränge mit Weinstöcken bepflanzt sind. Im Ganzen sind es 25 Hektar, die von Cavallotto mit Wein bewirtschaftet werden. Der Boden zwischen den Reihen ist mit frischem Grün bedeckt. Es ist Teil der Philosophie, die auf möglichste Schonung der Natur Wert legt. In Sichtweite liegt La Morra auf einer Anhöhe wie ein Schutzschild gegen kalte Winde.
Giuseppe: „Das ist sehr wichtig für unser Mikroklima, das dem Barolo entgegenkommt. Er mag an sich kühlere Temperaturen, in der Zeit der Traubenreife braucht er aber eine warme Periode.“ Der Winzer greift in die Erde neben dem Weg und zeigt den Boden, einen Mix aus Sand, Lehm und Kalk, um hinzuzufügen: „Kalk ist für die Aromen besonders gut.“ Als Fotomodell will er dabei nicht posieren und meint: „Meine Schwester Laura wäre dafür viel geeigneter.“
Wichtig ist ihnen allen der bereits erwähnte Bewuchs, der gegen Erosion an den abfallenden Hängen schützt. Gegen Schädlinge wird mittlerweile kein Schwefel mehr verwendet, sondern eine Kräutermischung, die auf die Blätter aufgetragen wird. Dass durch diese Behandlung die Stöcke älter als gewöhnlich werden, ist nur einer der positiven Effekte. Wenn dazu der Boden nicht aufgerissen wird, bleibt er fest genug für den Traktor und bewahrt das Gleichgewicht unter den Mikroorganismen.
Eine Wetterstation der Universität Turin, die sich mitten im Weingarten befindet, misst Temperatur und Luftfeuchtigkeit und hilft dabei, die idealen Umstände für den natürlichen Pflanzenschutz zu erarbeiten.
Wieder zurück im Haus wird Barolo 2012 verkostet. Duft und Aromen sind noch etwas verschlossen.
Im Abgang lässt er aber bereits kommende Größe erahnen. Von aggressiven Tanninen ist trotz seiner Jugend nichts zu merken. Er ist, salopp gesagt, ein eleganter Rotwein, der alle Tugenden des Hauses Cavallotto in sich vereint, sowohl in der Farbe, in der Nase, am Gaumen und im Abgang. Auf die nun übliche Frage eines Sommeliers, zu welchen Speisen dieser Barolo wohl passen könnte, erntet dieser nur einen verständnislosen Blick von Giuseppe: „Zu einem solchen Wein braucht man kein Essen.“