Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Berchtesgaden im späten Licht

Ein Reisebericht für alle, die noch nie in Berchtesgaden waren

Weibblauer Himmel  über dem Marktplatz von Berchtesgaden

Das teure Echo vom Königssee, der Biergarten beim Kehlsteinhaus und der älteste Kraxenträger der Welt

Der kürzeste Weg, um die Seele von Berchtesgaden zu entdecken, ist ein Besuch des Heimatmuseums. Vom Zentrum mit dem königlichen Schloss hinaus zum Schloss Adelsheim ist es nur ein kurzweiliger Fußweg durch das Nonntal, den ältesten Straßenzug von Berchtesgaden mit hübschen Geschäften und Lokalen. Dort draußen ist der letzte Fürstpropst an gebrochenem Herzen gestorben. Man sieht noch das Zimmer, das Joseph Conrad Freiherr von Schroffenberg bewohnt hat.

Eingricht. Das letzte Berchtesgadener Stiftskapitel, Bossierarbeit im Heimatmuseum

Sein kleines Reich und der noble Titel waren im Zuge der Säkularisation 1803 verloren gegangen. Die gewesten Untertanen dürften den Umstand, dass sie nicht mehr unterm Krummstab leben durften, recht gut verkraftet haben. Die meisten von ihnen gehörten sowohl vorher als auch nachher zu einer wenig begüterten Landbevölkerung, die vom kargen Boden ihrer kleinen Bauernwirtschaften lebte.

Springbrunnen vor dem Königllichen Schloss, dem ehemaligen Chorherrenstift

Erst der aufkommende Tourismus ab der Mitte des 19. Jahrhunderts schuf neue Einkommensquellen. Dass zu diesen Gästen auch Leute wie ein Adolf Hitler und seine Nazi-Schergen zählten, dafür kann die schönste Gegend nichts. Aber dazu später.

 

Zurück also zu der Zeit, als das königliche Schloss noch Augustiner Chorherrenstift und Residenz der Fürstpröpste war! Salz wurde abgebaut und brachte zumindest einigen von ihnen bescheidenen Wohlstand.

Die anderen verbrachten die langen und harten Winter dieser Gebirgslandschaft in ihren Keuschen. Sie beschäftigten sich mit Handarbeit, vor allem mit dem Schnitzen. Betrachtet man die Arbeiten aus der Sammlung des Heimatmuseums, dann ist diese Tradition bis heute lebendig.

Liebevoll hergestelltes Holzspielzeug, Beinschnitzerei, gedrechselter Hausrat oder Flöten wurden von Hausierern an die Kundschaft in der weiteren Umgebung wie Salzburg oder München geliefert. Anton Adner war einer von diesen Kraxenträgern. Er wurde von einem Künstler der Schnitzerei, Jakob Kurz „Kusei“, verewigt. Unglaublich ist sein Alter, das auf dem Sockel dieser Figur mit 1705 – 1822 angeführt ist. Wenn das Geburtsjahr auch nicht ganz genau stimmt, erfährt man im Museum, ist  gewiss, dass Anton Adner steinalt geworden ist.

Geschäftsschild einer Bäckerei im Nonntal

Im Heimatmuseum selbst herrscht eine beschaulich gelassene Atmosphäre, wie übrigens im ganzen Ort Berchtesgaden. Die Besucher schlendern durch die Fußgängerzone, die Autos bewegen sich behutsam und halten bereitwillig vor den Schutzwegen an.

Per Schiff geht´s über den Königssee zum Wallfahrtskircherl St. Bartholomä

Die Massen gibt es erst dort, wo es zu den weltbekannten Highlights wie Königssee und Kehlsteinhaus geht. Die Busse, die man mit einer Gästekarte sogar gratis benützen kann, sind gestopft voll, wenn sie sich vom Bahnhof Richtung eines dieser Ziele bewegen. Ist man dort angekommen, verdichtet sich die Menge noch um das Vielfache derer, die mit dem Auto angereist sind. Der Touristenstrom wird zur zähen Lava, die allerdings von deutscher Gründlichkeit perfekt gelenkt wird.

Der Königssee mit St. Bartholomä, eingeschlossen von den Bergriesen Watzmann und Jenner, muss fotografiert werden, ganz genauso, wie man es einst schon im Geographiebuch gesehen hat. Per Schiff schaukelt man zu dieser Halbinsel mit dem weltbekannt malerischen Wallfahrtskircherl.

Wo die Felswände an den gegenüberliegenden Ufern besonders steil und einander nahe sind, wartet das berühmte Echo vom Königssee. Rufen, Singen oder sonst ein selbständiges Lärmen vermag es kaum zu erregen. Deshalb greift der Schiffsführer oder ein Herr vom Personal zum Flügelhorn und lässt eine älplerische Weise erklingen. Beindruckend, wie die Töne wieder zum Schiff zurückkehren, beeindruckend ist aber auch die kleine Rechnung, die man im Kopf kurz überschlägt.

Frisch geräucherter Fisch gibt es in der Fischerei St. Bartholomä

Der Bläser geht im Anschluss bei den Fahrgästen Trinkgeld absammeln. Ein Euro ist nahezu von jedem garantiert. Bei etlichen Fahrten am Tag das ganze Jahr über heißt das, dass diese Musiker zu den bestbezahlten der Welt gehören. Orchestertrompeter, die ganze Konzerte oder stundenlange Wagneropern um weniger Gage durchblasen müssen, sollten ihren Job überdenken.

Die Berge des Berchtesgadener Landes spiegeln sich im Obersee

Ähnliches Interesse gibt´s um das Kehlsteinhaus. Vom Obersalzberg weg werden die Besucher per Spezialbus auf der 1937 bis 1938 dem Felsen entrissenen Straße Richtung Gipfel gekarrt. Durch einen Tunnel geht man in den Berg und wird von dessen Ende in einem Messing glänzenden Aufzug zum Kehlsteinhaus nach oben befördert. Man benutzt dabei denselben Weg wie einst der Führer, dem dieser bautechnische Gewaltakt von der NSDAP zum 50. Geburtstag geschenkt worden war.

Die Anlage überlebte das Kriegsende und wurde von den Amis sogar ehrfurchtsvoll „Eagle´s Nest“, also Adlerhorst, genannt. Seine wahre kultische Reinigung erfuhr das Kehlsteinhaus aber erst, seit an dieser historisch schwer vorbelasteten Stätte ein freundlicher, typisch bayerischer Biergarten betrieben wird. Die ernsthafte Beschäftigung mit der NS-Diktatur findet sich erst am Rückweg in einer ständigen Ausstellung der Dokumentation Obersalzberg.

Nach einem solchen Tag mag ein Enzian der Verdauung förderlich sein. Man klinkt sich also wieder aus den Besucherströmen aus und verfügt sich in die Enzianbrennerei Grassl; selbstverständlich auch per Bus. Nach einer kurzen aufschlussreichen Führung hat man eine ganze Menge an hochprozentigen Spezialitäten zu verkosten. Brennmeister Karsten Brust weiß über die gesundheitsfördernde Wirkung der feinen Bitterstoffe aus der Enzianwurzel bestens Bescheid.

Ich stelle meinen Bogen in die Wolken (Gen. 9/13), Kehlsteinhaus mit Regenbogen

Ein Teil des Schnapses wird aus Feldanbau des Gelben Enzians gewonnen. Der Bergenzian selbst wird jedoch dort geerntet und gebrannt, wo er wächst: auf den Almen des Berchtesgadener Landes.

Enzianverkostung in der Enzianbrennerei Grassl

Das Recht dazu reicht bis tief ins Mittelalter zurück und man hält eisern daran fest. Mit genügend Schonung des Bestandes wird auch in ferner Zukunft noch der Bergenzian gebrannt und als idealer Digestiv nach einer üppigen Brotzeit eingenommen werden können.

 

Wem nach all dem noch Zeit verblieben ist, der findet in Berchtesgaden selbst und in der Umgebung noch genügend Zerstreuung und lohnende Ausflugsziele.

Wanderer erhalten im „Haus der Berge“ bestens Unterweisung für einen Besuch des Nationalparks Berchtesgaden. Die sehenswerte multimediale Ausstellung, die dazu gestaltet wurde, macht einfach Lust, den Rucksack zu packen und sich mit den Bergen anzulegen.

Ein anderer Schauplatz im wahrsten Sinn des Wortes ist die Pfarrkirche St. Sebastian in Ramsau. Sie weckt Erinnerungen an die touristische Erschließung dieser Gegend. Aufgrund ihrer überaus pittoresken Lage war sie bald begehrtes Ziel von Landschaftsmalern. Deren Bilder gingen in die Welt hinaus und haben auf lange Sicht gesehen zu diesem friedlichen Touristenstrom geführt, der sich bis heute mit bayerischer Gemütlichkeit über Berchtesgaden ergießt.

Malerwinkel bei der Wallfahrtskirche St. Sebastian in Ramsau
Aussicht vm Kehlstein

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