Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Mostviertler Streuobstwiese im Herbst

UNSER MOSTVIERTEL Unterwegs im kulinarischen Reich von Birne und Dirndl

Gemütliche Stube in Reikeersdorfers Presshausheurigen

Von Baronen, die in Vierkantern zwischen Streuobstwiesen residieren

„G´sundheit!“ lautet hier der Gruß, wenn man ein Glas Most angeboten bekommt. „Sollst leben!“ heißt die richtige Antwort, bevor man das Glas mit dem wunderbar nach Birnen duftenden Getränk an die Lippen setzt. Erfrischung pur ist der erste Gedanke. Die Farbe reicht vom hellen Grün bis zu zartem Gold, der Geschmack variiert von lieblich süß bis kräftig herb. Es gibt also für jeden Gusto und jeden Durst den idealen Most. Wer bis dato mit diesem Wort nur den süßen Traubensaft in Verbindung gebracht hat, sollte so rasch wie möglich dessen andere, wahrscheinlich ursprüngliche Bedeutung lernen. In Niederösterreich, speziell in der Gegend südlich und westlich der Hauptstadt St. Pölten, ist Most der vergorene Saft hauptsächlich von Birnen. Man glaubt es kaum, aber aus den teils bitteren und krampensauren Mostbirnen rinnt beim Pressen picksüßer Saft, der je nach Sorte in der Nase und am Gaumen seine ganz eigene Charakteristik entfaltet. Speckbirne, Dorschbirne und Luxemburger sind nur einige Namen einer unglaublichen Sortenvielfalt, die über viele Generationen im Mostviertel gezüchtet wurden.

Mostflaschen in den Regalen des Mostbirnhauses in Stift Ardagger

Es gibt den Spruch, dass Birnenpflücken ein Unsinn ist, weil sie, wenn sie reif sind, von selbst herabfallen. Die Bäume wären für eine Ernte per Leiter ohnehin nicht günstig. Es handelt sich meist um würdige alte Riesen, die freistehend an Straßenrändern und in den Wiesen ihre Größe entfalten konnten. Als Streuobstwiesen bezeichnen die Bauern die Standorte ihrer Birnbäume, unter denen im Herbst mit demütigem Buckeln die saftigen Früchte eingesammelt werden.

Die besten Mostbirnen sind unscheinbare, saure bis bittere Früchte

Es ist noch gar nicht so lange her, dass diese Zierden einer einzigartigen Landschaft in größter Gefahr waren. Da half auch ihre prächtige Blüte nichts, die Frühling für Frühling die Gegend in ein weißes Zauberreich verwandelt. Sie wurden umgesägt, um für Mähmaschinen freie Fahrt zu haben. Erst als Leute wie Toni Distelberger den unschätzbaren Wert ihrer Obstbäume erkannten, setzte ein Umdenken ein. Die Bauern in den mächtigen Vierkantern begannen wieder, sich der mühseligen Arbeit des Mostelns zu unterziehen.

Sie hatten sich offenbar erinnert, dass der Most einst ihre stattlichen Häuser, eben die beeindruckenden Vierkanter, gebaut hatte, bevor dieser als beliebtes Getränk der Arbeiterschaft in den nahen Ballungszentren dem Bier und dem Wein weichen musste.

Der Lohn dieser Rückbesinnung sind nicht nur herrliche Moste, sondern der Adel, der ihnen darob verliehen wurde. Sie sind nunmehr Mostbarone, deren Ehrenkodex durchaus einem noblen Orden gleicht. Das äußere Zeichen ihrer Würde ist eine Tracht mit Hut, die der Brustflaum eines jungen Adlers ziert. Gemeinsam haben diese Damen und Herren mit dem aufmerksamen Blick auf die Stärken ihrer Heimat eine Tourismusregion erster Güte geschaffen und sie damit zu unser aller Mostviertel gemacht.

Mostbaron Toni Distelberger, Pionier des sortenreinen Birnenmostes

Toni Distelberger betreibt in Gigerreith bei Amstetten sein Mostwirtshaus als einen den Geldbeutel schonenden Feinschmeckertempel, in dem sortenreiner Birnenmost im Rahmen eines Degustationsmenüs verkostet werden kann. Zu einem bodenständigen Käsesortiment und dreierlei Variationen vom Schwein, sogar zu den süßen Krapfen am Schluss, gibt es den passenden Most. Der Mostbaron persönlich gibt den Sommelier, der es versteht, seinen Gästen Gang für Gang die faszinierende Harmonie von Speise und Getränk zu eröffnen.

In launigen Worten erklärt er bei dieser Gelegenheit den nicht selten Most-Unkundigen Geschichte und Eigenart dieser Köstlichkeit. Man weiß anschließend, was „Brous“ (die bereits im Herbst angesetzte Blütenknospe) oder „Preh“ (ein Wort für Stolz) und „Exibatur (Pflug) bedeuten. Die Ausdrücke finden sich auch auf den von ihm angebotenen „Gourmetmosten“, Cuvées aus mindestens drei autochthonen Birnensorten, die von leicht spritzig über elegant bis kräftig reichen.

Käseplatte als erster Gang des Mostdegustationsmenüs im Mostwirtshaus Distelberger

Baronin und Baron sind auch Doris und Josef V. Farthofer in Öhling. In ihrer Mostelleria entstehen edle Brände, von denen es 2012 der Bio-Vodka aus der „O-Serie“ bei der „International Wine & Spirit Competition“ in London aus 2.400 Einreichungen sensationeller Weise zum besten Vodka der Welt(!) gebracht hat. Die internationale Anerkennung ist nicht zuletzt die Frucht einer kompromisslosen Haltung in Sachen Bio & Nachhaltigkeit, die 2016 wiederum in London zur Auszeichnung mit „The Drinks Business Sustainability Award“ geführt hat. Das Herzensanliegen von Josef Farthofer ist jedoch der süße Mostello. Dabei handelt es sich um einen nach der Portwein-Methode im Eichenfass gereiften Birnen-Dessertwein, oder anders gesagt, gespritetem Birnenmost.

Destille in der Mostelleria

Schon beim Zugehen auf die Mostelleria sind die Fässer mit der Aufschrift „Mostello“ neben der stimmungsvollen Fassade des gefühlvoll restaurierten Mostkellers aus 1894 nicht zu übersehen. Um seinen Charakter voll entfalten zu können, ist diese Reifung über ein ganzes Jahr im Freien unerlässlich.

 

Es gäbe noch viel Bemerkenswertes über Mag. Josef V. Farthofer zu erzählen, angefangen von der Kontinuität zu seinen Vorfahren, von denen vier ebenfalls Josef geheißen haben, über den geschlossenen Energiekreislauf seines Betriebes, der ihm sogar die Versorgung von Feuerwehrhaus und Volksschule mit Fernwärme erlaubt, bis zu seinen unbestreitbaren Verdiensten für den Tourismus, die 2013 mit dem Preis des Landes Niederösterreich gewürdigt wurden. Aber bei einem Besuch der Mostelleria erfährt man im Rahmen einer Führung von Frau und Herrn Mostbaron persönlich, gewandet mit dem Cape portugiesischer Studenten und dem mostviertler Baronhut, ohnehin alles über die Kunst des Destillierens oder die Herstellung des Mostello.

Nur ein paar Kilometer entfernt kann man sein mittlerweile erworbenes Most-Wissen auf spielerische Weise vertiefen. In Stift Ardagger wartet das MostBirnHaus Birnenwelt mit einer gründlichen Einführung in die Welt des Mostes auf. Im Zuge eines Rundgangs durch die Erlebnisausstellung „Birnenleben“ hat der Besucher die Möglichkeit, seine Kräfte an der Mostpresse zu messen, sich am Birnenklauben zu beteiligen oder sich sehr relaxed auf eine Filmreise durch das Mostviertel zu begeben.

Marterl beim Pressheurigen Reikersdorfer

Die „Spezerei“, also der Shop, bietet ein beachtliches Angebot, aus dem man für sich den passenden Most herauskosten kann, es gibt auch Kochbücher, Kunsthandwerk und praktische Gerätschaften aus den Küchen der Bäuerinnen wie hölzerne Kochlöffel, die mit Sicherheit keine noch so zarte Beschichtung der Lieblingspfanne beschädigen, zu erwerben.

Christiane und Johannes Scheiblauer mit ihrem Küchenchef Wolfgang Draxler am Chef-Table

Auch am Abend eines solchen Tages darf die Birne nicht fehlen. Das Relax Resort Kothmühle wird von den Mostbaronen Christiane und Johannes Scheiblauer als Wohlfühloase in jedem Sinn geführt. In Most Relaxed, dem Spa-Bereich des Hauses, werden im Pool oder in der Mühlensauna am Tag angehäufte Kalorien auf angenehmste Weise abgeschwommen und –geschwitzt, um sie danach mit den raffinierten Kreationen des langjährigen Küchenchefs Wolfgang Draxler genussvoll wieder aufzubauen.

Man fühlt sich einfach wohl bei Familie Scheiblauer, die das Haus 1866 erworben hat und seit 1912 ein Gasthaus betreibt. Davor war es Mühle und Sägewerk, die bereits 1316 als freisingscher Besitz urkundlich erwähnt wurde. Gemütlichkeit hat Priorität. Das Seminarhotel Kothmühle ist der ideale Platz, um gestressten Managern Ruhe und Entspannung zu verleihen, aber auch der passende Ort, um sich nach ein paar Gläsern Most und einem Stamperl Schnaps aus den hauseigenen Obstgärten bei gesundem Schlaf auf einen weiteren Tag im Reich von Birne und Dirndl vorzubereiten.

Mostbaron Leopold Reikersdorfer mit Zoa (Henkelkorb) beim Birnenklauben

Mostwirtshäuser sind, für jeden der sich im Moment darunter nicht wirklich was vorstellen kann, Buschenschanken, bei denen statt Wein eben Most aus eigener Fechsung ausgeschenkt werden darf. In der Greinöd bei Neuhofen betreiben die Mostbarone Maria und Leopold Reikersdorfer den Presshausheurigen, unterstützt von ihrem Sohn Leopold und dessen Frau Michaela. Der Besucher ist willkommen, auch wenn auf die Bauersleute ein Haufen Arbeit wie Birnenklauben und Mostpressen wartet.

Abgesehen davon, dass man in einer urigen Stube dem Most und bodenständigen Speisen zu mehr als christlichen Preisen zusprechen kann, bietet der Hofladen ein verführerisches Sortiment an hausgemachtem Essig, das bis zum Birnenbalsam reicht, Kletzen und allerhand andere Genüsslichkeiten, die für jeden gesunden Ernährungsplan heutzutage schlicht unerlässlich sind.

Die Himmelstreppe, Zugsgarnitur der Mariazellerbahn

Ob mit Auto oder Fahrrad, die Reise geht nun nach Westen und kann stilvoll mit einer kurzen Fahrt auf der Mariazellerbahn in einem der Panorama-Waggons der Himmelstreppe, so der Name des Zuges, bereichert werden. Beim Bahnhof Laubenbachmühle hat man nun die Wahl, durch die wildromantische Voralpenwelt zum Gnadenort Mariazell zu pilgern oder in die Gegenrichtung beispielsweise nach Rabenstein an der Pielach einzusteigen. In Warth findet sich in nächster Nähe das Naturhotel Steinschalerhof.

Hier gibt´s als erstes zu erfahren, dass man soeben durch das Dirndltal gereist ist. Auf den Landkarten ist es noch immer als Pielachtal verzeichnet. Der neue Name leitet sich von der zweiten Spezialität der Gegend ab: Dirndln! Gemeint sind nicht die hübschen Mädchen in den reizvollen Trachten, sondern die leuchtend roten Früchte des Dirndlstrauches.

Die Dirndln“, so Hans Weiß, Betreiber des Steinschalerhofes, „sind sie die ersten, die sich mit ihren gelben Blüten in der Landschaft oft noch im Schnee als erste Frühlingsgrüße abheben.“ Hans Weiß ist sozusagen ein Pionier dieser Frucht, die zum Markenzeichen eines ganzen Tals geworden ist. Der Ausdruck, so erklärt er, stammt aus dem Slawischen und bedeutet soviel wie hart. Der botanische Name ist Cornus mas, gelber Hartriegel, eine Unterart der Hartriegelgewächse.

Blick auf den Ötscher zur Zeit der Birnbaumblüte

Diesbezüglich ist Hans Weiß durchaus streitbar und will nichts von der Kornelkirsche wissen, da die Frucht keine Kirsche ist. Besser gefällt ihm schon Olive des Nordens, allein wegen ihrer länglichen Form, ihrem Kern und der Art wie sie geerntet wird. Eine Kostprobe von den eingelegten Dirndln überzeugt, wenngleich das Fruchtfleisch pikant süßsäuerlich ist. „Dazu muss sie aber bereits abgefallen sein“, setzt Weiß hinzu, „vom Baum selbst gepflückt sind sie unreif und nichts als sauer.

Hans Weiß in seinem Naturgarten

Als Spezialist für Kräuter aller Art hat Hans Weiß neben seinem Hotel einen Naturgarten eingerichtet, der seinen Gästen nicht nur Entspannung, sondern auch längst verlorenes Wissen über die verschiedensten Pflanzen vermitteln soll. Mit der ihm eigenen Autorität lädt er zum Kosten von Gewächsen ein, die man bisher als Unkraut abgetan hat. Auf den Beeten dieses Gartens dürfen Brennnesseln ebenso gedeihen wie prächtige Georginen oder der unscheinbare Spitzwegerich.

Die jungen Nesseln geben der Kräutersuppe ihren einmaligen Geschmack, die Georginen behübschen mit ihren Blütenblättern den Salat und der Spitzwegerich ist die Heilpflanze schlechthin, wenn einen Hustenreiz oder entzündete Insektenstiche plagen. Der Salbei präsentiert sich noch im Spätherbst mit saftigen Blättern und der Gartenbesitzer hat überhaupt nichts dagegen, wenn man sich davon für das nächste Saltimbocca zuhause ein paar Stammerln abschneidet.

Reife Dirndlfrüchte

Auf schmaler Straße, vorbei an Streuobstwiesen und waldbedeckten Bergen geht es nun hinauf zur weltweit einzigen Dirndlmanufaktur. Wenngleich der Bergbauernhof einigermaßen entlegen ist, finden dennoch viele Besucher den Weg hierher. Dirndln haben eben eine besondere Anziehungskraft. Man darf sich dabei getrost vom mittlerweile vertrauten Anblick der Dirndlsträucher leiten lassen, von denen die ältesten gut 500 Jahre alt sein können. Empfangen wird man von Melanie Fuxsteiner.

2002 bis 2004 war sie die erste Dirndlkönigin und damit nicht unwesentlich an der Entwicklung des Dirndltales beteiligt. Mit einem kurzen Film wird man in die Welt des Dirndls eingeweiht, nachdem man sich über das enorme Gewicht eines Stücks Dirndlholzes gewundert hat und nun bereit ist, dieser Frucht alles zuzutrauen, von seiner Eignung zum Schnapsbrennen über die Essigherstellung bis zur Marmelade, von der jedes einzelne Glas per Hand verschlossen und etikettiert wird. Die mühevolle Handarbeit beginnt jedoch spätestens bei der Ernte. Unter den Sträuchern werden Netze aufgelegt, in der sich wie bei der Olivenernte die reifen Früchte sammeln.

Nach einer peniblen Auswahl wird entschieden, was zum „Dirndlernen“ gebrannt wird oder ins Marmeladenglas kommt. In Balllons stehen die Geister für den Besucher zum Kosten bereit. Gemeinsam mit der Birne, die mittlerweile zum Wappen des Mostviertels wurde, trägt das Dirndl dazu bei, diesen Landstrich im Südwesten von Niederösterreich zu einem kulinarischen Anziehungspunkt zu machen, der damit ungeahnt mehr zu bieten hat, als man auf den ersten Blick annehmen möchte.

Den Dirndllokör kann man sich selber vom Ballon zum Kosten herunterlassen

Vielen Dank an den „Cluster Produktentwicklung, -präsentation und -vermarktung für regionale landwirtschaftliche Qualitätserzeugnisse“ und Mostviertel Tourismus für die Einladung zur Pressereise.

 

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