Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Skyline von Apiro

Marken: Eine italienische Reise auf die Wade des Stiefels

Blühender Ginster in fruchtbarer Landschaft

Malerische Bergdörfer, einzigartige Weine in bezaubernder Landschaft und Strände zwischen Felsen und Meer

Wer, was, wo sind die Marken? Im Kreise klingender Namen wie Toskana, Piemont oder der benachbarten Emilia-Romagna nehmen sich die Marken so gar nicht italienisch aus. Kurz gesagt, die Marken (Marche) liegen in Mittelitalien direkt auf der Wade des Stiefels. Bekannter als die Region selbst ist die Hauptstadt Ancona mit dem Hafen, von dem Autofähren nach Griechenland ablegen. Die Marken wurden damit zu einem Transitland für die Touristenströme; was ungemein schade ist.

Felsenküste bei Fiorenzuola di focara

Es ist hoch an der Zeit, dass man diese Gegend mit einer Natur voller reizvoller Gegensätze, einer Weinlandschaft, die es zu entdecken gilt, und nicht zuletzt spannender Kultur demnächst zum eigentlichen Reiseziel erklärt.

La Piaggia, die große Freitreppe in Corinaldo

Der Einstieg erfolgt üblicherweise vom Norden her, vorbei an den sattsam bekannten Badestränden der nördlichen Adria, bis man endgültig in den Marken angekommen ist. Abfahrt von der Autobahn bei Pesaro. Ein Besuch der Stadt ist nicht zuletzt deswegen lohnenswert, weil hier Gioachino Rossini das Licht der Welt erblickt hat. Dem lebensfrohen Komponisten sind ein Museum und selbstverständlich eigene Opernfestspiele gewidmet.

Nicht zu übersehen war bei der Herfahrt die mächtige Burg Gradara. Hinter ihren dicken Mauern soll sich, so wird einem erzählt, genau diese Liebesgeschichte abgespielt haben, aus der später Romeo und Julia geworden sein soll.

Gezeigt wird sogar der Geheimgang, der die Liebenden, Paola und Francesca, verbunden hat, bevor der ungeliebte, aber nicht weniger eifersüchtige Gatte die beiden im Bett zusammen erwischt und mit seinem Schwert erstochen hat. Mittelalter-Romantik pur bietet auch Corinaldo. Über La Piaggia, eine Freitreppe, steigt man hinauf in die Stadt, bevor man von oben entlang der vollkommen erhaltenen Stadtmauern die Festung umrundet, um zuletzt wieder am Fuß der Treppe anzukommen.

Terrasse des Agriturismo Mimosa bei Cupramontana
Urbino, ein Stück UNSECO-Weltkulturerbe

Ein Stück UNSECO-Weltkulturerbe liegt etwas weiter im Westen. Zwischen Weinbergen hindurch führt die Straße ins Land hinein nach Urbino. Beeindruckend türmen sich mittelalterliche Stadtmauern vor dem Besucher auf. Durch steile Gassen geht es hinauf zum Hauptplatz einer Stadt, zwischen deren altem Gemäuer erstaunlich junges studentisches Leben herrscht. Urbino beherbergt etliche Universitäten, ist nach wie vor Sitz eines Erzbischofs und Herrschaftssitz von Herzog Federico.

Dessen markantes Profil ist durch ein Gemälde von Piero della Francesca unsterblich geworden (kleines Foto in der Seitenleiste). Residiert wurde damals im Palazzo Ducale, der zu wohlfeilem Eintrittsgeld einen Rundgang durch die kunstvolle Vergangenheit Urbinos gewährt. Diesbezüglich ist zweifellos der hier geborene Maler Raffaello Sanzio, kurz Raffael, einer der bedeutendsten Söhne der Stadt.

Kapuziner beim Chorgebet in der Basilika von Loreto

Über die Via Flaminia, auf der schon die Römer zwischen Rom und Fano gependelt sind, kehrt man wieder an die Küste der Adria zurück. Die Fischrestaurants im Hafen von Fano haben sich in kulinarischen Kreisen bereits herumgesprochen. Sanft und fruchtbar verebbt hier am Meer eine Landschaft, die sich nur wenige Kilometer westlich zu den schroffen Höhen des Apennins auftürmt. Noch im Mai sind schneebedeckte Gipfel dort und hier ein Bad im Meer durchaus zu vereinen.

Entlang einer Küstenstraße wird die Stadt Senigállia durchquert. Etwas weiter im Süden, bei Falconara Maritima, geht es wieder zurück ins Land hinein. Ganz nach Lust und Laune sucht man sich eines der pittoresken Bergstädtchen zum Bleiben aus, zum Beispiel Morro d´Alba als Ausgangspunkt für einen Besuch von Loreto.

Sogar an Wochentagen strömen Scharen von Wallfahrern hinauf zur Basilika. Die Gnadenstatue erfährt ihre Verehrung im Santa Casa, die als Wohnung der heiligen Familie angesehen wird. Die Madonna aus Zedernholz des Libanon ist schwarz, nachempfunden der ursprünglichen Statue, die vom Rauch aus tausenden Öllämpchen dunkel eingefärbt worden war. Im Chor der Kirche treffen sich zu den vorgeschriebenen Stunden die Kapuziner zum Gebet und sind damit ein lebendiges Zeugnis

Von Pilgern belebter Platz der Madonna vor der Basilika von Loreto

der tiefen Spiritualität eines Ortes, der bis in unsere Zeit nichts von seiner Kraft eingebüßt hat.

Historisches Weinetikett im Museum von Cupramontana

Eine Fahrt entlang der wildromantischen Küstenstraße am Monte Cónero führt bis Ancona und von dort weiter nach Cupramontana. Dieser in seinem ursprünglichen Aussehen bestens erhaltene Ort hoch über dem Tal des Esino verfügt über ein sehenswertes Museum für Weinetiketten und über Colonnara, einer Cantina (Kellerei), in der alle autochthonen Weinsorten dieser Gegend erhältlich sind. Wein ist an sich ein treuer Begleiter des Reisenden in den Marken. Der Weinfreund begegnet Namen wie Bianchello, Verdiccio, Lacrima oder Pecorino.

Sie alle dürfen ausschließlich in ihrem fix zugewiesenen Gebiet zum D.O.C. reifen. Mehr Informationen zum Wein gibt es bei den fünf Winzern, die in diesem Schwerpunkt eigens ausführlich vorgestellt werden.

Unterhalb von Cupramontana liegt Eremo delle Grotte del Massaccio, ein ehemaliges Kloster der Kamaldulenser. Die „Frati Bianci“ (Weiße Brüder aufgrund ihres hellen Habits) haben 1050 in diesem Talschluss begonnen, ihre Zellen in den Berg zu graben, um ein kontemplatives Leben in strenger Abgeschiedenheit zu führen. Mit der Zeit kamen mehr und mehr Baulichkeiten dazu, bis das Kloster in seiner heutigen Form entstanden war. Die Brüder waren Vegetarier und machten Wein ausschließlich zum Gebrauch in der Liturgie. Im 16. Jahrhundert wurde in Eremo von Paolo Gustiniani die Ordensregel neu geschrieben. Das Kloster stand damit im Zentrum einer großen Reformation des vom Benediktiner Romuald von Camaldoli Anfang des 11. Jh. gegründeten Schweigeordens.

 

Entdeckt wurde die aufgelassene Eremitage vom Ehepaar Anna Paola und Pietro Tassi. Nach und nach werden von ihnen die Gebäude restauriert, und zwar vollkommen original, mit Materialen in den Techniken von seinerzeit.

Eremo delle Grotte del Massaccio

In den bereits fertig gestellten Teilen werden Seminare und Symposien abgehalten, unter anderem von renommierten Gesellschaften wie der Fondazione Soros und der Fondazione Gates. Die Klosterbibliothek, der dieses große internationale Interesse gilt, wird übrigens im Gemeindeamt von Cupramontana verwahrt.

Weingarten bei Cupramontana im Sonnenuntergang

Das wiedererwachende Eremo ist damit ebenso ein Pflichtbesuch wie die kleine Abbazia del Beato Angelo mit einem selten gut erhaltenen Kreuzgang oder die weltberühmten Höhlen von Frasassi, deren Tropfsteingebilde eine märchenhafte Anderswelt tief im Felsen geschaffen haben, und das 360 Grad Panorama von Cingoli. Von diesem „Balkon der Marken“ aus überblickt man tatsächlich einen guten Teil der Region, die mit freundlicher Beschaulichkeit ihre Entdecker willkommen heißt.

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