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Werner Gruber am GRoßen Refraktor der Kuffner Sternwarte

Durch die Kuffner Sternwarte mit Science Buster Werner Gruber

Kuffner Sternwarte

Der Blick von Ottakring hinaus in die Tiefen des Weltalls

Der Ottakringer Bierbrauer Moriz von Kuffner wollte die Wiener nicht nur mit Gerstensaft versorgen, sondern auch mit Bildung und Wissenschaft. In den Weingärten an den Hängen des Wilhelminenberges, damals noch außerhalb der Stadt und fernab des nächtlichen Lichtermeeres, heute Johann-Staud-Straße 10, ließ er zwischen 1884 bis 1886 eine Sternwarte als privates Forschungsinstitut errichten. Gespart wurde dabei nicht. Nach einer Erweiterung in den Jahren 1889 und 1890 galt die Kuffner Sternwarte als eine der bedeutendsten und modernsten der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. 1896 wurden die heute noch existierenden Hauptinstrumente, die unten noch ausführlich beschrieben werden, angeschafft. Die Sternwarte wurde zur Wirkungsstätte namhafter Wissenschaftler, unter anderem des damals aus Deutschland nach Wien gekommenen Karl Schwarzschild. Nach ihm benannt ist u. a. der Schwarzschildfaktor, eine in der Astrofotografie eminent bedeutende Erkenntnis des damals noch als Assistent tätigen jungen Astronomen.

Der Große Refraktor bzw. das Teleskop der Kuffner Sternwarte

Für Werner Gruber, dem breiten Publikum aus dem Fernsehen bekannt als Science Buster, ist Schwarzschild einer der hellsten Köpfe, der, hätte ihn nicht 1916 ein Hautleiden in jungen Jahren hinweggerafft, „die halbe Physik revolutioniert hätte.“ Werner Gruber ist Direktor der astronomischen Betriebe der Stadt Wien. Dazu zählen neben der Kuffner Sternwarte auch die Urania Sternwarte und das Planetarium der Stadt Wien.

Ebenso wie im TV ist es auch hier dem Wissenschaftler ein Anliegen, gemeinsam mit seinem engagierten Team auf spannende, sogar unterhaltsame und dennoch fundierte Weise Wissen in der Bevölkerung zu verbreiten. Dazu gehört neben Vorträgen auch das ganz praktische „Sternderlschauen“ in der Kuffner Sternwarte. Vorausgesetzt die Nacht ist klar, haben bis zu 35 Leute in der Kuppel Gelegenheit, mittels Teleskop tiefe Blicke ins Weltall zu werfen.

Meridiankreis

Der Weg hinauf rund um das mächtig gebaute Stativ, das dem Teleskop ruhigen Stand garantiert, führt an zwei Türen mit Aufschriften vorbei, die neugierig machen. In den Sälen dahinter verbergen sich zwei der genannten Hauptinstrumente: Meridiankreis und Vertikalkreis. Der Meridiankreis ist ein einfaches Rohr mit Fadenkreuz, das nur in der Meridianebene, also nord-süd, schwenkbar ist.

Vertikalkreis

Acht Spinnfäden dienen dazu, den Durchgang eines Sterns auf die Sekunde genau zu bestimmen. Die Zeit wird von einer der Präzisionspendeluhren neben dem Meridiankreis abgelesen. Werner Gruber: „Jetzt hat man dann das Problem, dass die Erdachse nicht konstant ist. Sie kann sich durch bestimmte Vorkommnisse um ein paar Zehntel Grad verschieben. Daraufhin musste der Vertikalkreis gebaut werden, der bestimmt, wie weit wir am Polarstern orientiert sind.“ Es handelt sich dabei um ein senkrecht stehendes Instrument, das der Beobachtende nur liegend bedienen kann.

 

Meridiankreis und Vertikalkreis erlaubten es um 1910, dass zehn Prozent des damals bekannten Universums von hier aus vermessen wurden, betont Gruber die einst führende Rolle dieser Warte. Das dritte bedeutende Instrument befindet sich in der zweiten Kuppel. Es handelt sich dabei um ein Heliometer, dem größten seiner Art, dessen Objektivlinse entlang ihres Durchmessers durchgeschnitten ist und deren Hälften sich gegeneinander verkippen lassen.

Aber das alles“, so der Physiker Werner Gruber, „hat heute nur mehr historische Bedeutung. Die Wissenschaft arbeitet mittlerweile ganz anders.“ Auch das mächtige Fernrohr, ein sogenannter Großer Refraktor und nach wie vor das drittgrößte Linsenteleskop Österreichs, hat diesbezüglich ausgedient. Nach dem Ersten Weltkrieg war seine große Zeit vorüber. 1938 musste Moritz Kuffner die Brauerei verkaufen und emigrierte mit seiner Familie in die Schweiz, wo er 1939 starb.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es Versuche einer Reaktivierung der Sternwarte im Sinne der Volksbildung. Das markante Bauwerk selbst wurde 1977 unter Denkmalschutz gestellt. Der Verein Kuffner-Sternwarte hat sich später in der Renovierung engagiert, dessen Hauptziel in der Vertiefung und Verbreitung astronomischen Wissens für alle besteht. Der Verein darf die Hälfte der Zeit nutzen, die andere Hälfte gehörte ursprünglich der Volkshochschule Ottakring, deren Anteil mittlerweile auf die astronomischen Betriebe der Stadt Wien übergegangen ist.

Markus Meixner-Schoretits, Observatory Engineer bei den Wiener Volkshochschulen

Während der Führung durch die Sternwarte ist es später Nachmittag geworden. Die Sonne steht aber immer noch hoch genug, um sie mit dem Teleskop beobachten zu können. Markus Meixner-Schoretits, Observatory Engineer bei den Wiener Volkshochschulen, beginnt mit den Vorbereitungen am Teleskop. Der Kuppelspalt wird geöffnet und mit Seilzügen in die richtige Richtung gedreht. Am Rohr selbst muss vorne ein Energiefilter und hinten ein H-Alpha Filter aufgesetzt werden.

Steuerung am Großen Refraktor

Das Energiefilter ist nötig, denn sonst, so Werner Gruber, hat man gerade zwei Mal die Möglichkeit, einen Blick auf die Sonne zu werfen, einmal mit dem linken und einmal mit dem rechten Auge, danach sind beide verbrannt. Das H-Alpha Filter ist notwendig, um eindrucksvolle Protuberanzen sichtbar zu machen, die mit einem speziellen Aufsatz sogar mit dem Handy fotografiert werden können.

 

Werner Gruber hat die Hände auffallend lässig in den Hosentaschen vergraben und wünscht sich dieses Verhalten auch von den anderen Anwesenden. Es soll verhindern, dass jemand auf das Okular greift und durch eine falsche Bewegung das teure Stück beschädigt. „Man braucht nur zu schauen. Eingerichtet wurde das Rohr schon vorher.“ Unglaublich, wie schnell sich die Sonne bewegt, denn alle paar Minuten muss das Teleskop nachgestellt werden. Sonnenflecken sind am leichtesten zu erkennen. Um die Protuberanz zu entdecken, die um ein Vielfaches größer als die Erde ist, braucht es schon die genaue Anweisung eines Führenden.

Üblicherweise trifft man sich jedoch in sternenklaren Nächten auf der Kuffner Sternwarte. Vor allem der Winterhimmel bietet klare Sicht ins Weltall. Dabei ist allerdings warm anziehen angesagt. „Astronomie ist ein Knochenjob, weil man im Freien steht“, so Werner Gruber. In der Kuppel herrscht Außentemperatur. Geheizt wird nicht, da dadurch in den Teleskopen bei den Linsen Spannungen auftreten könnten.

Die einfachste Übung für den astronomischen Neuling sind der Mond und seine Krater und Planeten, die auch der Laie bald als solche erkennt, zum Beispiel den Mars als rote Scheibe mit Polkappe oder den Saturn mit seinem Ring. Später wird das Teleskop auf Sterne gerichtet und das Gesehene erklärt, zum Beispiel die Tatsache, dass Planeten, also Wandelsterne, unabhängig vom restlichen Sternenhimmel unterwegs sind, die Sterne sich aber nur in ihrer Gesamtheit „bewegen“ und zueinander ihre Position nicht verändern.

Foto von der Sonne mit Flecken und einer Protuberanz

Spannend und aufschlussreich ist ein Blick auf planetare Nebel. Deren Bezeichnung ist allerdings irreführend. Es handelt sich weder um Planeten, noch ist sie auf deren nebelartiges Aussehen zurückzuführen. Ein Grund dafür ist, so Werner Gruber, dass sie wie Planeten als Scheibe erscheinen. Der andere Grund ist ein spezieller Gelbton, der in diesen Gaswolken entdeckt wurde und den man sich nicht erklären konnte. Physiker vermuteten daher seinerzeit ein neues, noch unbekanntes Element, das sie „Nebulium“ nannten.

Aber abgesehen von dieser einen Ausnahme halten Astronomen und Physiker nicht das Geringste von hypothetischen Annahmen. Sie halten sich an Tatsachen und angesichts dieser kosmischen Zeugen der Entstehung unseres Universums begreift man umgehend, was der Physiker und als (noch) Science Buster mit dem österreichischen Kabarettpreis ausgezeichnete Werner Gruber nach einem langen Blick durch das Teleskop in einem kurzen Satz zusammenfasst: „Wir alle sind Sternenstaub.

Hauptkuppel der Kuffner Sternwarte

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